momentan ist die euro-krise in aller munde, die sogenannte. - warum "sogenannte"? weil es durchaus währungen gibt, die weniger zum spielobjekt der ominösen "märkte" geworden sind als der euro, obwohl es den dahinter stehenden volksswirtschaften tendenziell schlechter geht. die gründe dafür scheinen sich allmählich abzuzeichnen:
- eine einheitliche währung von 17 ländern ohne einheitliche (oder zumindest: gemeinsame, abgestimmte) (wirtschafts-)politik ist eine gewagte konstruktion;
- die definition der euro-zone als nicht-solidaritäts-zone (verbot von transfers, das mittlerwile ohnehin unterlaufen wird), liest sich naturgemäß als "spekulier mit mir!" für die anynomen "märkte";
- andere zentralbanken sagen (explizit oder zumindest/meist) implizit: "zur not drucken wir $waehrung", die EZB darf das nicht; folge: s.o.
somit steckt weniger der euro in einer krise; vielmehr zeigen sich diverse konstruktionsmängel, die von den "märkten" (zur erinnerung: das sind die einrichtungen, die vor 2-3 jahren von den staaten unter den hübschen mottos "too big to fail" & "system-relevant" gerettet wurden) zu wetten gegen einzelne euro-staaten genutzt werden.
kleine zwischenbeobachtung: die USA werfen kalifornien nicht aus dem bund trotz dessen schulden; österreich hat die hypo alpe adria gekauft statt kärnten bankrott gehen zu lassen; bei griechenland wird ein rauswurf aus der euro-zone (der ja nicht vertraglich geregelt ist) doch erwogen. - tja, was sagt uns das?
& was sehen wir noch? demokratie wird zusehends optional auf diesem kontinent; wenn überhaupt politische aktivitäten zu sehen sind, dann sehen die meist so aus, dass eine deutsche physikerin & ein vertikal herausgeforderter nachfolger des ebensolchen korsischen generals in einem hinterzimmer verschwinden & hinterher anordnungen an ihre ebenso planlosen kollegInnen aus anderen ländern verteilen; für das gemeine volk fallen dabei wenn überhaupt nichtssagende soundbites ab.
was braucht es also?
- einerseits natürlich schnelle & radikale reformen im bereich der wirtschaftspolitik, wie sie etwa die europäischen grünen fordern;
- andererseits aber eine reform dieses konstrukts EU, eine reform, die die skizzierten widersprüchlichkeiten auflöst, die der politik wieder das primat über die ökonomie gibt & die v.a. ein demokratisch strukturiertes & legitimiertes gemeinsames europa schafft.
überlegungen dazu stellt z.b. jürgen habermas an, in diversen artikeln & jüngst in seinem neuen buch zur verfassung europas. darin versucht er, eine skizze für eine mögliche legitimation einer vertieften transnationalen, aber nicht bundesstaatlichen zusammenarbeit innerhalb europas zu liefern. eine europäische verfassung könnte demnach von 2 gruppen, den unionsbürgerInnen & den nationalstaaten, gemeinsam getragen werden, wobei letztere wiederum aus den staatsbürgerInnen bestehen / von diesen legitimiert sind & somit in europäischem kontext die menschen eine doppelfunktion haben. - interessant auch, dass habermas in diesem essay durchaus die existenz einer gemeinsamen europäischen geschichte & kultur (als voraussetzung für die legitimation einer machtabgabe an das transnationale gebilde in der erwartung eines gemeinsamen nutzens) bejaht.
ganz überzeugt bin ich nicht davon, warum ein bundesstaat vermieden werden soll; aber vielleicht ist es zumindest pragmatisch betrachtet momentan einfacher.
etwas kürzer & kämpferischer formuliert dominique rousseau, verfassungsrechtler an der pariser sorbonne, in einem kommentar in le monde (übersetzung eurotopics, hervorhebung von mir):
En 1788, pour répondre à la crise des finances du royaume, Louis XVI convoque les Etats généraux qui, en 1789, s'autoproclament Assemblée nationale et, par l'écriture de la Constitution, elle transforme les peuples qui vivaient sur le territoire de la France en peuple français. Au Parlement européen, aujourd'hui, d'avoir la même audace. Il est la seule institution issue du suffrage universel et cette légitimité lui donne la capacité de s'autoproclamer Assemblée constituante et de proposer au vote des peuples européens une Constitution qui s'ouvrirait par "Nous, peuple européen…"
1788 ließ der vor dem Staatsbankrott stehende Ludwig XVI. die Generalstände einberufen, die sich 1789 zur Verfassunggebenden Versammlung erklärten. Sie machten die Menschen, die auf französischem Boden lebten, zu Franzosen. Das Europa-Parlament sollte heute den gleichen Mut beweisen. Es ist die einzige Institution, die durch allgemeine Wahlen legitimiert wird. Daher kann es sich zum Verfassungskonvent erklären und dem europäischen Volk eine Verfassung zur Abstimmung vorlegen, die mit den Worten "Wir, das europäische Volk" beginnt.
& auch wenn das noch kein ausgefeiltes konzept ist - der gedanke hat etwas: das europäische parlament ist bei allen schwächen die einzige zumindest formell demokratisch legitimierte institution der EU; wer wenn nicht es soll die legitimation haben, den prozess einer ausarbeitung einer EU-verfassung anzustoßen & zu koordinieren? und: zeit wird's!
sinnvoll dabei, nein: notwendig!, wäre eine möglichst große partizipation & transparenz, wobei bei der mitarbeit die jungen menschen (etwa via jugendverbände) besonders eingebunden werden sollten. & vielleicht sind die liquid democracy-ansätze der piratInnen ein hilfreiches tool?
in diesem sinne: « allons, enfants de la patrie européenne, ... ! »